Intro
„Und? Die Lissi beißt sich an uns ganz schön die Zähne aus, oder?“
Bei einem Führungskräftetraining stellte mir der Projektleiter auf Kundenseite genau diese Frage. Der Hintergrund: Wir möchten beim Kunden mehrere Trainingsreihen aus mehreren Modulen und auf jeder Hierarchieebene im Unternehmen implementieren. Neue Ideen, Ansätze und Methoden im Gepäck.
Die Geschäftsführung: Seit mehr als 20 Jahren auf genau diesen Stühlen, hat das Unternehmen dorthin gebracht, wo es heute steht und gibt sich frischem Wind mitunter skeptisch – nicht verwunderlich.
In einem gemeinsamen Termin mit der Geschäftsführung rollen wir den Schlachtplan aus. Beauftragt wird schließlich etwa die Hälfte unserer Vorstellung.
Aus Lissis Sicht: Das Glas ist halb leer.
Aus meiner Sicht: Das Glas ist halb voll.
Warum?
Wegen unserer Muster!
Meine Antwort auf die obige Frage nach dem Zähne ausbeißen war die Folgende: Aus Lissis Sicht wahrscheinlich schon.
Aus meiner nicht (Mara). Ich bin eher vergangenheitsorientiert und finde gut, was wir erreichen konnten. Mein Gedanke ist: ‚Wow! Schau woher wir kommen und was wir heute bekommen haben! Irre!‘
Lissis Blickwinkel ist eher: ‚Ja, aber schau doch mal, was alles sein könnte, wenn wir nur…‘.
Ich gehe recht zufrieden aus dem Termin, Lissi womöglich nicht. Aber unsere Muster ergänzen sich. Mein Muster gibt mir nun die Zuversicht und ich freue mich darauf, das zu nutzen, was wir bekommen haben. Es verleitet aber auch eher nicht dazu, nach den Sternen zu greifen.
Lissis Muster hingegen macht erstmal unzufrieden, gibt ihr aber auch den Ansporn, im Prozess immer wieder mutig neue Wege zu gehen und die Geschäftsführung am Ende vielleicht doch – wer weiß das schon – von einem sehr innovativen Neustart zu überzeugen. Stay tuned!
Was wir aber eigentlich sagen wollen: Willkommen im neuen Themenmonat über Muster.
Viel Spaß!
Input
Was sind Muster eigentlich?
Muster sind Denk-, Fühl- und Handlungsschemata, die wir uns im Laufe unseres Lebens aneignen. Sie entstehen aus wiederholten Erfahrungen in unserem Leben – oft schon früh (Kindheit). Sie sind so etwas wie unser unsichtbares Navigationssystem. Sie geben uns Orientierung und Sicherheit, weil wir sie mit Erlebnissen aus unserem Leben verknüpfen, die uns Erfolg gebracht haben Da sie jedoch zumeist unterbewusst ablaufen, können sie uns in unserem Handlungsspielraum auch vermeintlich einschränken.
Habe ich beispielsweise als Kind vermehrt die Erfahrung gemacht, dass es besser ist, Konflikte zu vermeiden, werde ich auch als Erwachsene diese Strategie weiterhin fahren, mir so aber auch mitunter eine Weiterentwicklung oder eine neue Sicht auf die Dinge verbauen.
Unsere unbewussten Muster haben also grundsätzlich einen edlen Ursprung, fordern aber auch ihren Preis, denn unser Leben verändert sich und Verhalten, das uns mal Erfolg gebracht hat, kann uns ganz schnell Misserfolg bringen, wenn wir unser Verhalten nicht immer wieder hinterfragen und anpassen (im Fachbegriff heißt das: Muster brechen)
Nehmen wir beispielsweise das Muster „Ich muss alles im Griff haben.“ Der Nutzen dieses Musters ist eindeutig Sicherheit, Kontrolle und Stabilität. Es kann aber auch zu Überforderung und Enge für andere führen.
Ein Muster ist dabei im Übrigen von einer Gewohnheit zu unterscheiden. Während eine Gewohnheit meist konkrete und wiederholte Handlungen im Alltag betreffen – zum Beispiel füttere ich am Morgen zuerst den Hund und koche dann Kaffee – ist ein Muster ein umfassendes und tiefer liegendes Reaktions- und Beziehungsschema. Eine Gewohnheit ist eher einfach und oft auf eine Handlung beschränkt, ein Muster umfasst Denken, Fühlen und schließlich Handeln und ist somit deutlich komplexer.
Sich daher ein Muster bewusst zu machen oder gar ein neues erlernen zu wollen ist sehr viel schwieriger, als eine neue Routine oder Gewohnheit zu etablieren. Ihr erinnert euch an die magischen 21 Tage, von denen wir gesprochen haben, als es um das Entwickeln einer neuen Gewohnheit ging. Aber Muster sitzen viel tiefer und sind viel enger mit der Persönlichkeit und den Erfahrungen eines Menschen verwoben.
Eine Gewohnheit kann man durch ein konstantes Training leicht verändern, Muster hingegen lassen sich nicht einfach abschalten. Ihre Veränderung bedarf ein Bewusstwerden, Akzeptanz und schließlich neue Erfahrungen.
Wie erkenne ich meine Muster?
Muster sind oft erst sozial sichtbar. Das heißt, andere bemerken sie an uns, bevor wir es selbst tun. Manchmal fällt uns das eigene Muster erst durch Rückmeldung anderer auf. Daher können eigene Muster am besten in der Reflexion mit und durch andere bewusst gemacht werden.
Hier sind unsere Tipps für dich, dir deine Muster bewusst zu machen und zu verwandeln:
- In konkrete Situationen zurückgehen: Versetze dich in eine konkrete Situation im Alltag (ggfs. auch mit anderen): Was sind typische Verhaltensweisen, die du an den Tag legst? (In der Interaktion mit anderen? Im Streit?). Wer macht was? Welche Gefühle begleiten Dich dabei? Welche körperlichen Empfindungen? – hier kannst du auch gerne mal Kolleg*innen oder Freunde fragen.
- Den Nutzen und den Preis erkennen: Muster haben nicht nur einen „Preis“, sondern auch einen Nutzen (z. B. Schutz). Mache dir klar: Warum hast du dieses Muster? Also was bringt dir das Verhalten? Was hat es dir ermöglicht? Das schafft Verständnis statt nur Abwertung.
Dann frage dich: Was ist dagegen der Preis? Also die Kosten des Verhaltens? Welche negativen Effekte hat das Verhalten auf dich und auf andere?
- Bedürfnisse sichtbar machen: Muster sind mit Bedürfnissen verbunden: einem existenziellen Bedürfnis von früher (z. B. Sicherheit) und einem aktuellen Bedürfnis (z. B. Klartext reden). Welches Bedürfnis steckt hinter deinem Muster?
- Gefühle ernst nehmen: Muster speisen sich oft aus Gefühl und Geschichte: ein aktueller Reiz weckt etwas aus der Vergangenheit. Das Bewusstwerden gelingt dir, indem du nah an deinen Gefühlen bleibst und reflektierst: „Ist das Hier und Jetzt oder ein altes Echo?“
Du machst dir ein Muster bewusst, indem du es erkennst, benennst, in konkreten Situationen nachfühlst, Nutzen und Preis würdigst, die zugrunde liegenden Bedürfnisse sichtbar machst und schließlich mit neuen Handlungsweisen experimentierst.
Wie hilft dir das alles jetzt in der Zusammenarbeit im Team?
Zurück zum Anfang des SchlachtBlattes: Lissi hat offenbar ganz andere Muster im Arbeitsalltag als Mara. Und jetzt?
Was wir nun schon wissen, ist, dass Muster sowohl Ermöglichung als auch Einschränkung zugleich sind. Das heißt, sie geben sowohl Stabilität und Orientierung, können aber auch Konflikte begünstigen, wenn unterschiedliche Muster aufeinandertreffen. So wie bei Lissi und Mara beispielsweise.
Und trotzdem schaffen die beiden gemeinsame Projekte und können einander inspirieren. Ein Grund dafür ist, dass wir uns im Team unsere Muster gegenseitig reflektiert und offengelegt haben. Beim letzten Teamtag beispielsweise.
Wenn ich meine eigenen Muster kenne, hilft mir das, Reaktionen weniger persönlich zu nehmen und die Logik meines Gegenübers besser zu verstehen.
Im Team fördert Musterbewusstsein mehr Empathie für die Beweggründe anderer,
ein differenzierteres Konfliktverständnis („es geht nicht um böse Absicht, sondern um unterschiedliche Muster“) und damit mehr Kooperationsfähigkeit.
Wichtig ist es dabei jedoch, Nutzen und Preis eines Musters gleichermaßen aufzuzeigen. Häufig fallen Muster auf, wenn sie dem Gegenüber unangenehm sind. Wenn jemand mit einem Verhalten immer wieder auffällt oder man gewisse Dynamiken schon prophezeien kann, wie z.B. „Immer wenn ich einen neuen Vorschlag mache, bist du erstmal total skeptisch. Da traue ich mich schon kaum noch, meine Ideen zu teilen.“
An dieser Stelle helfen euch folgende Fragen, das Muster zu benennen und im Team zu verorten:
- Wie läuft das Muster ab?
- Was löst das Muster aus?
- Wie kann man das Muster benennen?
- Welche positive Absicht verfolgte das Muster ursprünglich? Oder welchen Nutzen erhoffe ich mir davon?
- Wann ist das Muster also förderlich und wann hemmt es/schränkt es ein?
Auf diese Art lassen sich die verschiedenen Muster im Team wertschätzend miteinander kombinieren und gegenseitig ergänzen.
Inside
Wenn wir von Mustern in der Zusammenarbeit sprechen, sind für die Beiträge diesen Monat folgende Themen ebenfalls besonders wichtig:
Wir schauen nochmals genauer darauf, wie die Muster in unserem Team unsere Zusammenarbeit prägen.
Dazu hat auch Mara in #marameint einige Gedanken: Warum fällt es einigen vielleicht auch schwer, über ihre Muster zu sprechen?
Wenn dir unsere Tipps in diesem SchlachtBlatt zu abstrakt sind, um deine Muster aufzudecken, haben wir zum #methodenmittwoch nochmals vier konkrete Schritte, mit welchen du Step by Step deine Muster aufdecken kannst.
Abgeschlossen wird der Themenmonat mit der Frage, die wir uns nun alle stellen: Kann ich meine Muster verändern oder gar verlernen?
Outro
Und weil ihr wisst, dass wir bei Schlachtplan gern Anekdoten erzählen, die zu unseren Themen passen, schließen wir dieses SchlachtBlatt auch einmal mit einem kurzen Gleichnis, inspiriert durch Jorge Bucay:
Stell dir vor: Ein Mensch fällt in einen Brunnen. Zuerst ruft er um Hilfe, später versucht er, sich selbst zu befreien – alles vergeblich. Nach vielen Versuchen gibt er auf. Irgendwann wird ihm ein Seil heruntergelassen. Doch er greift gar nicht erst zu – zu stark ist das Muster der Erfahrung: „Es bringt ja alles nichts.“
Genau so wirken mitunter auch unsere Muster. Sie sind aus früheren Erfahrungen entstanden – damals sinnvoll, heute gelegentlich einengend. Dabei wäre „das Seil“ längst da.
Welches Seil übersiehst du gerade, weil dein Muster dir sagt: Es bringt sowieso nichts?